Mischwasserbehandlung

Das Prinzip des Mischsystems

Im Mischsystem wird das in Haushalten, Gewerbe und Industrie anfallende Abwasser (Schmutzwasser) zusammen mit dem Niederschlagswasser und Fremdwasser in einem Kanal gesammelt und abgeleitet. Bei Regen treten hohe Abflüsse auf, die nicht immer vollständig und sofort in Kläranlagen behandelt werden können. Daher sind Bauwerke notwendig, an denen ein Teil dieser Abflüsse zwischengespeichert werden kann, um es später an die Kläranlagen weiterzuleiten. Sind diese Bauwerke auch voll, so darf das Mischwasser in ein Gewässer eingeleitet werden. Dieser Fall sollte aber zum Schutze unserer Gewässer vermieden werden.

Der anfallende Niederschlag lässt sich grob in zwei Kategorien aufteilen: * Gering verschmutztes Niederschlagswasser ist i.d.R. nicht behandlungsbedürftig und kann daher ohne weitere Behandlung über die belebte Bodenzone versickert oder in ein Gewässer eingeleitet werden. * Stärker verschmutztes Niederschlagswasser ist dagegen behandlungsbedürftig und wird nach dem Regenereignis in Richtung Kläranlage abgeleitet. Je nach Verschmutzungsgrad muss die Behandlung angepasst werden.


Abbildung: Mischsystem-Schema mit gering und stärker verschmutztem Niederschlagswasser.

Ob Niederschlagswasserabflüsse im Einzelfall behandlungsbedürftig sind oder nicht, hängt ab von: * der Belastung der Herkunftsfläche (Dacheindeckungen, Nutzung von Verkehrsflächen, Parkplätzen und Straßen, Luftverschmutzung usw.) * der Empfindlichkeit des betroffenen Gewässers.

So kann zum Beispiel der Regenabfluss einer Hauptverkehrsstraße meist ohne Behandlung in einen großen Fluss eingeleitet werden. Bei der Einleitung in einen Bach wäre jedoch eine Behandlung erforderlich.


Abflusskomponenten im Mischsystem

Abwasser wird im technischen Sprachgebrauch nach seinem Ursprung unterschieden in:

  • häusliches Schmutzwasser Q(H):
    Dies ist vor allem das in privaten Haushalten anfallende Abwasser. Es zählen aber auch Abwässer aus öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Bibliotheken usw.) und kleinen gewerblichen Betrieben (Restaurant, Bäcker usw.) dazu.

  • gewerbliches/industrielles Schmutzwasser Q(G):
    Gewerbliches/industrielles Schmutzwasser entsteht bei den Produktionsprozessen in Gewerbe- und Industriebetrieben.

  • Fremdwasser Q(F):
    Fremdwasser ist im Kanal abfließendes Wasser, das weder durch Gebrauch in seinen Eigenschaften verändert ist (Schmutzwasser), noch Regenwasser von bebauten oder befestigten Flächen, welches gezielt eingeleitet wurde. Im Mischsystem wird Fremdwasser durch in undichte Kanäle eindringendes Grundwasser oder zum Beispiel durch Hausdränagen gefasstes Schichten-, Sicker- und Dränwasser verursacht. Niederschlagsbedingt entsteht Fremdwasser durch nicht planmäßig zufließende Oberflächenabflüsse von Außengebieten. Auch eingeleitetes Bach- oder Quellwasser ist Fremdwasser.

  • Regenwasser Q(R):
    Wasser, das infolge von Niederschlägen von Dächern und sonstigen befestigten Flächen abfließt und in den Kanal eingeleitet wird, wird als Regenwasser Q(R) bezeichnet.

Die Summe aus häuslichem und gewerblichem/industriellem Schmutzwasser wird übergeordnet als Schmutzwasser Q(S) bezeichnet.

Q(S)=Q(H) + Q(G)

Schmutzwasser und Fremdwasser ergeben zusammen den Trockenwetterabfluss Q(T), also den Abfluss, der im Kanal fließt, wenn es nicht regnet.

Q(T)=Q(S) + Q(F)

Bei Regen fließen im Kanal der Trockenwetterabfluss und der Regenabfluss. Diese Summe kann als Regenwetterabfluss oder Gesamtabfluss Q(ges) bezeichnet werden.

Q(ges)=Q(T) + Q(R)


Abflussmengen

Die Abflusskomponenten Schmutzwasser, Fremdwasser und insbesondere das Regenwasser fallen in sehr unterschiedlichen Mengen an.

Schmutzwasseranfall

  • Der häusliche Schmutzwasseranfall entspricht weitgehend dem häuslichen Wasserverbrauch. Er beträgt in Deutschland etwa 125 Liter pro Einwohner und Tag. Die größten Anteile am Gesamtwasserverbrauch haben das Baden und Duschen, das Wäsche waschen und die WC-Spülung. Je nach Tag und Tageszeit variieren die Mengen, die zur Kläranlage fließen.

  • Der gewerbliche/industrielle Abwasseranfall wird meist durch die Einheit Liter pro Produktionseinheit erfasst. Je nach Produkt gibt es dabei zum Teil erhebliche Unterschiede beim Schmutzwasseranfall, zum Beispiel bei einer Schlachterei:1 bis 3 Liter je kg Fleisch und bei einer Brauerei 2,5 bis 5 Liter je Liter Verkaufsbier. Je nach Tag und Tageszeit variieren die Mengen, die zur Kläranlage fließen.

Fremdwasseranfall

Häufig wird die Fremdwassermenge im Kanalnetz bzw. im Zulauf der Kläranlage anteilig [%] angegeben. Der Fremdwasseranteil beschreibt das Verhältnis zwischen Fremdwasser- und Trockenwetterabfluss. Ein Fremdwasseranteil von 50 % bedeutet, dass der Kläranlage genauso viel Fremd- wie Schmutzwasser zufließt. In Baden-Württemberg entfällt unter bestimmten Randbedingungen ab diesem Fremdwasseranteil die Ermäßigung auf die Abwasserabgabe ("unzulässige Verdünnung").

Nach stärkeren Regenfällen ist oftmals der Abfluss im Kanalnetz noch über mehrere Tage hinweg erhöht, obwohl der direkte Regenabfluss schon nach wenigen Stunden beendet ist. Dieser Fremdwasserabfluss wird häufig als "verzögerter" Regennachlauf" bezeichnet. Mit der Veränderung des Grundwasserspiegels im Verlauf eines Jahres verändert sich auch der Fremdwasseranfall mit den Jahreszeiten. Durch die erhöhten Grundwasserstände im späten Winter und im Frühjahr fällt in dieser Zeit in der Regel auch das meiste Fremdwasser an. Wie stark die Schwankungen sind, hängt von den Randbedingungen im Einzelfall ab. Vorübergehend stark erhöhte Fremdwasserabflüsse im Winter und Frühjahr führen häufig zu Trockenwetterentlastungen an Regenüberlaufbecken, die teilweise mehrere Wochen andauern können. Auch andere Faktoren (Hochwasser, Schneeschmelze) können den Fremdwasseranfall beeinflussen.

Regenwasseranfall

Die Menge des gefallenen Niederschlags wird als Niederschlagshöhe h(N) angegeben. Sie hat die Einheit mm und gibt an, wie hoch der Wasserspiegel ohne Verluste (Versickerung, Verdunstung) auf einer beregneten Fläche nach einer bestimmten Zeit wäre. Eine Niederschlagshöhe von 1 mm entspricht 1 Liter gefallenen Niederschlag pro m^2 Fläche. Die durchschnittliche Jahresniederschlagshöhe beträgt in Deutschland 780 mm/a. Dabei regnet es im Durchschnitt etwa 10 % der Zeit eines Jahres. Sowohl die Niederschlagshöhe, die Verteilung als auch die Gesamtdauer des Niederschlags sind jedoch regional sehr unterschiedlich.

Wie stark es zu einem bestimmten Zeitpunkt regnet, wird durch die Regenspende r ausgedrückt. Sie gibt an, welches Regenvolumen pro Zeit und Fläche fällt und trägt meist die Einheit l/(sha). Schwache Regenfälle ("Nieselregen") haben Regenspenden im Bereich unter 1 l/(sha). Starkniederschläge, wie sie durchschnittlich etwa einmal im Jahr kurzzeitig auftreten, haben Regenspenden von über 100 l/(s*ha).

Nicht jeder Regentropfen gelangt auch tatsächlich in die Kanalisation. Auf befestigten Oberflächen geht Wasser z.B. durch Verdunstung verloren oder bleibt in Pfützen stehen (Muldenauffüllung). Auf unbefestigten Flächen versickert meist der größte Teil des Regens. Wie groß der Anteil des Niederschlags ist, der tatsächlich zum Abfluss kommt, hängt von der Stärke des betrachteten Regens ab.


Quantifizierung der Schadstoffe im Mischwasser

Abwässer enthalten eine Vielzahl unterschiedlichster Schadstoffe. Zur Quantifizierung wie stark die Verschmutzung ist, gibt es verschiedene Parameter/Indikatoren, entweder werden einzelne Stoffe und Stoffgruppen ermittelt. Der Indikator CSB (chemischer Sauerstoffbedarf) wird als Leitparameter für die Verschmutzung unterschiedlicher Abflussarten angegeben. Je höher er ist, desto stärker ist das Abwasser verunreinigt. In Tabelle 1 finden sich Angaben in welchem Bereich sich die Verschmutzungskonzentration als CSB gemessen, befinden.


Tabelle 1: Bandbreiten der Verschmutzung von Regen- und Mischwasserabfluss (Brombach, Hansjörg, und S. Fuchs. "Datenpool gemessener Verschmutzungskonzentrationen in Misch- und Trennkanalisation." KA-Abwasser, Abfall, 2003 (50) Nr. 4: 441f)

Es ist zu sehen, dass der Verschmutzungsgrad von Niederschlagswasserabflüssen durchaus variiert. Die Verschmutzung hängt dabei sehr stark von der Nutzung der Oberflächen ab, von denen sie abfließen. Von Straßen und Parkplätzen werden vor allem zu Beginn von Niederschlagsereignissen Verschmutzungen abgespült, die sich in der vorangegangenen Trockenzeit dort angesammelt haben. Ursachen der Verschmutzung sind Abrieb von Reifen, Bremsen und Fahrbahn, verlorene Motorenöle und Autoabgase. Dachflächen sind dagegen grundsätzlich weniger verschmutzt.

In der Mischwasserkanalisation bilden sich während der Trockenperioden oftmals Ablagerungen, die wegen der geringen Schleppkraft nicht weitertransportiert werden. Durch die höheren Fließgeschwindigkeiten bei Regenereignissen werden diese Ablagerungen teilweise wieder aufgewirbelt (remobilisiert). Diese Remobilisierung tritt ebenfalls überwiegend zu Beginn von Regenereignissen auf und führt zu einer sehr hohen Verschmutzung des Abflusses. Dieser Effekt wird "Spülstoß" genannt. Dadurch treten zeitweise bei Regen höhere Konzentrationen auf als im Trockenwetterabfluss. Wenn die Oberflächen und der Kanal freigespült sind, geht die Verschmutzung des Abflusses deutlich zurück. Das Regenwasser verdünnt dann den Schmutzwasserabfluss.


Kritischer Mischwasserabfluss Q(krit)

Seltene, sehr starke Niederschläge können nicht vollständig in Abwasseranlagen behandelt werden. Deshalb wird unter Abwägung ökologischer und wirtschaftlicher Faktoren der kritische Mischwasserabfluss Q(krit) als Grenzwert für die Behandlung im Mischsystem festgelegt. Abflüsse, die größer sind als Q(krit) treten nur so selten auf, so dass es sich nicht lohnt Behandlungsanlagen auf diese Abflüsse auszulegen. Wegen der vertretbaren Auswirkungen auf die Umwelt, können Abflüsse über dem kritischen Mischwasserabfluss daher grundsätzlich ohne Behandlung in der Kläranlage oder in einem Regenbecken direkt in ein Gewässer entlastet werden.

Der kritische Mischwasserabfluss berechnet sich wie folgt:

Q(krit) = Q(T,dM) + r(krit) * A(U) + Summe Q(Dr,i) [l/s]

mit:
Q(T,dM): Trockenwetterabfluss im Tagesmittel aus dem unmittelbaren Zwischeneinzugsgebiet [l/s]
r(krit): kritische Regenspende [l/(s*ha)]
A(U): undurchlässige Fläche [m2]
Summe Q(Dr,i): Summe aller unmittelbar von oberhalb zufließenden Drosselabflüsse [l/s]

Die Regenspende mit der der kritische Mischwasserabfluss berechnet wird, ist die kritische Regenspende r(krit). Sie wird je nach Empfindlichkeit des betroffenen Gewässers festgelegt. In Baden-Württemberg liegt sie im Normalfall bei 15 l/(sha). Bei besonders empfindlichen Gewässern wird sie auf bis zu 45 l/(sha) erhöht werden.


Notwendigkeit von Regenwasserentlastungsanlagen im Mischsystem

Um den Gesamtabfluss Q(ges) bei starken Niederschlagsereignissen auf den Mischwasserzufluss Q(M) zur Kläranlage zu reduzieren, werden im Kanalnetz Regenwasserentlastungsanlagen angeordnet. Bei starken Regenübersteigt das Mischwasser den Trockenwetterabfluss um mehr als das 100-fache. Diese sehr großen (und nur selten auftretenden) Abflussmengen können unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten weder vollständig zur Kläranlage transportiert noch dort behandelt werden. Nach dem Abklingen des Spülstoßes ist die Verdünnung in der Regel ohnehin so groß, dass das Mischwasser in der Kläranlage nicht weitergehend gereinigt werden kann.

*Auszüge aus dem Handbuch "Betrieb von Regenüberlaufbecken"


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